ISO 9001 pragmatisch – Qualitätsmanagementbeauftragter
Im heutigen Beitrag der Blogserie „ISO 9001 pragmatisch“ möchte ich mich mal dem Thema Qualitätsmanagementbeauftragter annähern.
Und ja, bevor jetzt der (berechtigte) Einwand kommt – ich weiß, dass die ISO 9001:2015 keinen Qualitätsmanagementbeauftragten (oder wie es korrekt in der Norm hieß „Beauftragten der obersten Leitung“) mehr fordert. Aber nur weil er von der Norm aktuell nicht gefordert wird, heißt das ja aber nicht, dass es nicht trotzdem einen geben darf. Ähnlich wie beim Qualitätsmanagementhandbuch, welches auch nicht mehr gefordert wird, was ich ebenso in einem Blogbeitrag thematisiert habe, welchen Sie hier finden.
Da der Qualitätsmanagementbeauftragte nicht explizit gefordert wird von der ISO 9001, kann ich diesen Blogbeitrag nicht wie üblich aufbauen und zum Beispiel die Detailforderungen erläutern o.ä., sondern formuliere einfach mal meine Gedanken diesbezüglich
Natürlich kann ich den Ansatz der Norm verstehen, dass diese die oberste Leitung (Geschäftsführung) und alle anderen Mitarbeiter mehr mit ins „Qualitätsboot“ holen möchten. Viel zu oft war es halt in der Vergangenheit der Fall, dass beim Stichwort Qualität alle Mitarbeiter (inklusive Geschäftsleitung) auf den Qualitätsmanagementbeauftragten gezeigt haben und somit aus der Nummer raus sind.
Ich selbst habe aber mit der Herangehensweise, dass jetzt für die Qualität zuständig sind ein Problem. Seit Jahren versuche ich meinen Kunden näherzubringen, dass wir (in der Regel) für alle Maßnahmen und ähnliches ein Zieldatum und einen Verantwortlichen benötigen. Ich habe schon zu oft gesehen, dass ohne ein Zieldatum der Fokus darauf aus dem Blickfeld gerückt ist, weil immer etwas anderes wichtiger bzw. dringender war. Und wenn es keinen Verantwortlichen gibt und alle verantwortlich sind, dann ist es aber im Endeffekt auch keiner, was ebenso nicht hilfreich ist. Und nun kommt die ISO 9001 daher und sagt, wir brauchen keinen Verantwortlichen mehr für das Qualitätsmanagementsystem.
Meiner Meinung nach ein Fehler. Ein gutes Qualitätsmanagementsystem braucht einen verantwortlichen Mitarbeiter, der sich darum kümmert und die Fäden dafür in der Hand hält. Denn bitte nicht falsch verstehen – der Qualitätsmanagementbeauftragte soll nicht alle qualitätsrelevanten Tätigkeiten selbst durchführen. Er soll meiner Meinung nach nur die Fäden dafür in der Hand halten und dafür sorgen (und verantwortlich) sein, dass das Qualitätsmanagementsystem funktioniert und dem Unternehmen einen Vorteil bringt. Und ob diese Person dann Qualitätsmanagementbeauftragter, Qualitätsbeauftragter, Qualitätsmanager oder wie auch immer heißt, ist mir dann im Endeffekt egal.
Und weil mir das so wichtig ist, habe mir mal Gedanken gemacht, und eine Liste erstellt, mit den Erfolgsfaktoren für einen Qualitätsmanagementbeauftragten:
- Rückendeckung durch die Geschäftsführung – Es ist unabdingbar, dass der Qualitätsmanagementbeauftragte die volle Rückendeckung durch die Geschäftsführung hat. Er muss / kann / soll im Unternehmen Dinge verändern und verbessern, zum Beispiel Prozesse und dafür braucht er das Vertrauen und die Befugnisse, die ihm die Geschäftsführung zustehen muss.
- Theoretisches Fachwissen – Der Qualitätsmanagementbeauftragte muss wissen, über was er redet bzw. was er tut. Dafür braucht er den theoretischen Background dafür und muss zum Beispiel die Normanforderungen sehr gut kennen, wissen welche Qualitätswerkzeuge er wann und wie am besten einsetzt und ähnliches. Doch wenn ich hier von dem theoretischen Wachwissen schreibe, dann meine ich damit nicht zwangsweise die klassischen Weiterbildungsseminare. Gute Möglichkeiten für theoretisches Fachwissen sind zum Beispiel auch Fachbücher, Podcasts, Blogs, Erfahrungsaustausche….
- Erfahrungskompetenz – In der Norm ist ja an der ein oder anderen Stelle auch von Kompetenzen die Rede und ich habe vor einiger Zeit den Begriff Erfahrungskompetenz kreiert – das besondere an ihr ist, dass man diese (wenn man sich nicht aktiv dagegen wehrt) automatisch mit der Zeit bekommt. Und nach meiner Erfahrung ist es mit Qualitätsmanagementbeauftragten wie mit einem guten Wein, in der Regel wird er mit der Zeit immer besser.
- Spaß am Umgang mit Menschen – Natürlich hat mal viel mit Dokumentation, Prozessen, Normen etc. zu tun, aber auch mehr mit Menschen, als man vielleicht im ersten Moment denkt. Weil im Endeffekt werden die Dokumentation, Prozesse und Normen von Menschen umgesetzt und da ist der Qualitätsmanagementbeauftragter meiner Meinung nach das direkte Bindeglied. Das fängt schon damit an, wie entsprechende Dokumentationen, Prozessanweisungen und ähnliches formuliert werden. Und geht an ganz vielen Stellen weiter…
- Gesunder Menschenverstand – steht zwar hier als letzter Punkt, ist aber nicht minderwichtig. Ich habe leider schon zu viele Qualitätsmanagementsysteme und deren Dokumentation gesehen, die fernab vom gesunden Menschenverstand waren. Da fällt es natürlich für alle Beteiligten schwer, diese Qualitätsmanagementsystem in der Praxis leben zu lassen. Aber ich kann auch berichten, dass ich schon viele Qualitätsmanagementsysteme gesehen habe, die mit gesundem Menschenverstand gefüllt waren und dadurch auch von den Mitarbeitern akzeptiert und umgesetzt wurden.
Die hier aufgeführten Erfolgsfaktoren sind meine rein persönliche Meinung und haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sollten Sie noch weitere Punkte ergänzen wollen, so hinterlassen Sie gerne einen Kommentar.
Vorlage Protokoll Mitarbeitergespräch Begriffserläuterung – Kalibrierung
Lieber Herr Thode,
ein toller Blog, insbesondere Ihre Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Umsetzung :) Die ISO-Zertifizierung lässt sich industrieübergreifend anstreben, korrekt? Sprich, es kann ein Bagger Unternehmen genauso zertifiziert werden wie ein Unternehmen, welches mit Mode handelt?
Danke und beste Grüsse
Moin,
ja, so ist es. Jegliche Art von Unternehmen kann sich nach ISO 9001 zertifizieren lassen.
Viele Grüße
Michael Thode