Blog der Lösungsfabrik

Qualitätsmanagement und ISO 9001

Meine Meinung – Qualitätsmanagement muss man „leben“

Ich bin durch meine Tätigkeit im Bereich Qualitätsmanagement jeden Tag mit den unterschiedlichsten Gründen warum man ein Qualitätsmanagementsystem einführt und auch, warum man dieses zertifizieren lässt, konfrontiert. Dabei muss man ganz klar unterscheiden zwischen der Einführung und der Zertifizierung.

 

Für die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems sprechen viele Gründe. Nehmen wir da einmal 3 Beispiele, die ganz offensichtlich sind.

1. Steigerung der Qualität

Qualität kann man nicht in ein Produkt hineinprüfen, sondern man muss viel weiter vorher anfangen. Ja, man muss bis ganz zum Anfang gehen, denn vielfach entscheidet sich die Qualität schon bei der Auswahl der Rohstoffe, bzw. der Rohrprodukte die verarbeitet werden. Weiter geht es dann natürlich über die Weiterverarbeitung und alle Prozesse, die am Produkt stattfinden. Die Endkontrolle kann und darf nur als das gesehen werden, was sie auch ist – die Endkontrolle, wo nochmal abschließend geprüft wird, ob das Produkt den Anforderungen entspricht.

2. Produktivität erhöhen

Durch die Einführung eines prozessorientierten Qualitätsmanagementsystems werden die Prozesse in einem Unternehmen optimiert. Dadurch werden doppelte Arbeiten vermieden und durch die Einführung von Kennzahlen werden Potentiale und Verluste aufgedeckt.

3. Durchlaufzeiten senken

Durch die Prozessoptimierung werden auch die Durchlaufzeiten von z.B. Anfragen und Reklamationen gesenkt. Das erhöht die subjektive Kundenzufriedenheit und ist für den Unternehmenserfolg ungemein wichtig. Ein zu spät abgegebenes Angebot kann beispielsweise einen Auftragsverlust bedeuten. Oder was bringt z.B. die positivste Reaktion auf eine Reklamation, wenn die E-Mail erst nach 7 Tagen beim Kunden ist und dieser sich zwischenzeitlich nicht nur über den Reklamationsgrund ärgert, sondern inzwischen auch darüber, dass seine Reklamation offensichtlich nicht ernstgenommen wird.

 

Es gibt natürlich auch noch viel speziellere Gründe, ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen und zu „leben“, auch hier 3 Beispiele.

1. Markttransparenz

Die gestiegene Marktransparenz ist keine Fiktion, sondern tägliches Bestandteil unseres Lebens. Über Kundeforen, Weblogs und Preissuchmaschinen haben Kunden die Möglichkeiten, sich über Produkte auszutauschen und Preisvergleiche zu machen. Dies macht es natürlich den Unternehmen immer schwerer, die Kunden an sich zu binden. Aber zufriedene Kunden werden wesentlich seltener zu einem anderen Anbieter wechseln, unter Umständen sogar, wenn Sie dort ein vergleichbares Produkt zu einem günstigeren Preis bekommen.

2. Kundenerwartungen

Die Kundenerwartungen sind natürlich in vergangener Zeit auch stetig gestiegen. Die Fehlerfreiheit eines Produktes ist nur noch Grundvoraussetzung und wird vorausgesetzt. Die Differenzierung vom Wettbewerb kann vielfach nur noch über eine herausragende Produktqualität oder über eine besondere angebotene Servicedienstleistung erfolgen.

3. Zunahme des Wettbewerbs

In allen Branchen und Bereichen (mit Ausnahme weniger Nischen) ist der Wettbewerbsdruck extrem hoch. Die Zahl der konkurrierenden Anbieter ist groß und steigt in einigen Bereichen weiter an. Es ist schwierig einen Markt zu betreten oder dauerhaft auf ihm zu bestehen.

 

Soviel zu den Gründen für die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems. Natürlich gibt es auch verschiedene Gründe sein Qualitätsmanagementsystem zertifizieren zu lassen. Dabei unterscheidet man in interne und externe Gründe.

1. Externe Gründe

Viele Industrieunternehmen und auch einige Behörden erwarten von ihren Lieferanten ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem. Beispielsweise seien hier die Automobilbranche und der Maschinenbau genannt. Wer auf diesen Märkten „mitspielen“ möchte, kommt um eine Zertifizierung nicht herum.

2. Interne Gründe

Viele Unternehmen mit einem funktionierenden Qualitätsmanagementsystem möchten dieses natürlich auch nach außen dokumentieren. Dies passiert in der Regel über die Zertifizierung und der Veröffentlichung dieser, z.B. auf dem Internetauftritt der Firma.

 

Soviel zur Theorie und den verschiedenen Gründen. Ein Qualitätsmanagementsystem kann aber nur funktionieren und einen Vorteil bringen, wenn man es „lebt“. Das beste Zertifikat bringt nichts, wenn das QM-Handbuch nur einmal im Jahr aus dem Schrank genommen wird, zum Zertifizierungsaudit. Wenn wir mal die Branchen herausnehmen, wo eine Zertifizierung quasi Pflicht ist, gibt es eine Reihe von „Erfolgsfaktoren“, die quasi unerlässlich sind, damit ein QM-System funktioniert. Dafür nehme ich folgend einfach mal beispielhaft drei Bereiche, die ich persönlich für unerlässlich halte.

1. Oberste Leitung

Die oberste Leitung muss voll und ganz hinter dem QM-System stehen. Die Qualitätspolitik muss gut durchdacht und ggf. angepasst sein. Die Qualitätsziele müssen realistisch und überlegt gewählt werden. Der Wille zu (positiven) Veränderungen muss gegeben sein und diese müssen auch umgesetzt werden. Das findet in vielen Bereichen statt. Kundenbefragungen zum Beispiel sollten effektiv genutzt werden und nicht nur als notwendiges Übel gesehen werden. Neben der Ermittlung von Kennzahlen und der eventuellen Auswertung von Qualitätszielen bringen diese wertvolle Informationen über die Kundemeinung. Und nichts ist so wertvoll wie die Kundemeinung, auf die man eingehen kann und Ihr Beachtung schenken kann. Dieser Absatz ließe sich fast unendlich fortsetzen, aber Qualitätsmanagement „leben“ fängt ganz oben an, so wie auch ein Fisch am Kopf anfängt zu stinken.

2. Die Mitarbeiter „mitnehmen“

Immens wichtig ist auch die komplette Einbindung der Mitarbeiter. In meiner persönlichen Vorstellung habe ich geschrieben, dass ich mal in einem Unternehmen gearbeitet habe, dass nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert war. Der Prozess der Einführung lief folgendermaßen ab: Der Geschäftsführer teilte mit, dass wir uns zertifizieren lassen würden, weil die Kunden das positiv sehen würden und dadurch hätte der Technikleiter jetzt weniger Zeit, weil er jetzt auch QMB wäre. Den „gekürten“ QMB hörte man in der Folgezeit oft stöhnen wegen der Arbeitsbelastung und mit Fremdworten wie Prozessbeschreibung und normkonform hantieren. Dies wurde mit der Zeit immer stärker, bis es eines Tages hieß, dass unser Technikleiter in der Folgewoche für „normale“ Themen nicht mehr ansprechbar sein, weil in zwei Wochen die Mitarbeiter vom Zertifizierer kommen würden um uns zu zertifizieren. Die Spannung wuchs bei ihm bis zu diesem Tag stetig und viel nach der Zertifizierung total von ihm ab. Die Geschäftsleitung klopfte sich selber eindringlich auf die Schulter für den erzielten Erfolg und das QM-Handbuch verschwand sofort im Schrank für die wichtigen Dokumente und ward für lange Zeit nicht mehr gesehen. Im Nachhinein würde ich diese Art der Einführung eines QM-Systems vorsichtig als suboptimal beschreiben.

Man muss die Belegschaft eines Unternehmens VOR Einführung eines Qualitätsmanagementsystems ausführlich informieren, z.B. über den Zweck der Einführung oder aber auch bestimmte Mechanismen dieses Systems.

Ein anderes Negativbeispiel kenne ich glücklicherweise nur aus der Erzählung eines QM-Kollegen. Dort sollte eine Schule zertifiziert werden. Es wurde lange geplant, Angebote eingeholt und Überlegungen angestellt. Die Mitarbeiter und Lehrer wurden einfach mal außen vorgelassen. Als dem Personalrat dann zu Ohren gekommen ist, dass in einem Qualitätsmanagementsystem mit Kennzahlen gearbeitet wird, hat dieser sofort geblockt und darum gefürchtet, dass die Leistung der Lehrerkollegen dadurch messbar werden würde und diese ab Einführung mit Repressionen zu rechnen hätten. Er hat die Einführung des Qualitätsmanagementsystems blockiert und m.W. ist diese Schule bis heute nicht zertifiziert.

Der Qualitätsgedanke muss sich durch die komplette Belegschaft ziehen.

3. Der Qualitätsmanagementbeauftragte

Ebenfalls sehr wichtig ist der QMB (Qualitätsmanagementbeauftragte). Als persönliche Voraussetzung würde ich natürlich ein wenig Durchsetzungskraft und auch argumentative Fähigkeiten anführen. Wenn Veränderungen durchzusetzen sind, ist natürlich die sachliche Argumentation unheimlich wichtig. Wenn Entscheidungen durchgedrückt werden mit dem Argument: „Das wird von der Norm so gefordert, darum müssen wir das machen.“ hat das Qualitätsmanagementsystem eigentlich schon verloren.

Ebenso muss der QMB natürlich von der obersten Leitung volle Rückendeckung haben und seine Entscheidungen müssen von der Geschäftsleitung gefördert und unterstützt werden.

Auch braucht der QMB die Unterstützung von der Belegschaft, wobei hier natürlich auch die argumentativen Fähigkeiten des QMB hereinspielen. Wenn Sie mehrfach einem Mitarbeiter gegenüber argumentieren, dass bestimmte Sachen einfach so gemacht werden müssen, weil die Norm das so fordert, dann brauchen Sie mit dem betreffenden Mitarbeiter nicht mehr über die Sinnhaftigkeit des Qualitätsmanagementsystems zu diskutieren. Diese Diskussion ist verloren, bevor sie überhaupt stattgefunden hat, der Mitarbeiter weiß schon, was er von dem QM-System hält und das ist in der Regel nicht viel.

 

Meine Ausführungen werden natürlich unter einigen, schon lange in diesem Bereich tätige Kollegen den Anschein erwecken, dass ich sehr idealistisch an die Sache herangehe und das ist auch sicher nicht ganz verkehrt. Aber ich komme (wie schon beschrieben) aus dem kaufmännischen Bereich und suche immer nach dem Vorteil. Und den bietet ein Qualitätsmanagementsystem nun mal nur, wenn es auch gelebt wird und nicht nur Dokumentation für das nächste Zertifizierungsaudit ist. Ich für meinen Teil arbeite auch wesentlich lieber mit Unternehmen zusammen, die aus einer inneren Überzeugung ein Qualitätsmanagementsystem einführen und zertifizieren, als mit Unternehmen, die das nur schnell hinter sich haben wollen, um das Zertifikat ihrem Kunden präsentieren zu können.

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2 thoughts on “Meine Meinung – Qualitätsmanagement muss man „leben“
  • Barbara Berger sagt:

    Hallo,
    ich habe im Dezember ein Fernstudium zum QM begonnen, ganz schön schwierig. In den Heften ist vieles sehr blöd erklärt und die Lösungsaufgaben sind nicht viel besser. Nun habe ich zum Glück diese Seite gefunden. Könnten wir mal in Kontakt treten, das ich einen Ansprechpartner hätte, wenn ich nicht weiter weiß.

    Freundliche Grüße aus Pulsnitz

    Barbara Berger

  • Hallo Frau Berger,

    vielen Dank für Ihren Kommentar und natürlich viel Spaß und Erfolg bei Ihrem Fernstudium. Darf ich fragen, bei welchem Anbieter Sie das machen?

    Gerne dürfen Sie mich kontaktieren, wenn Sie Fragen bzgl. Qualitätsmanagement haben und ich werde versuchen, Ihnen diese zu beantworten. Ich sehe das ganze auch immer als Feedback für meinen Blog. Natürlich kann ich mir immer überlegen, welche Themen ich in meinen Blogbeiträgen behandele. Viel interessanter sind aber für mich Themen, die ich von Lesern zugesendet bekomme, weil ich da dann wirklich weiß, dass an diesem Thema Interesse besteht.

    Viele Grüße

    Michael Thode

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