Brauchen wir eine 4. Prozessart? Annäherung an die Mess-, Analyse und Verbesserungsprozesse
Auch in der aktuellsten Fassung der ISO 9001 im Kapitel 4.4 Qualitätsmanagementsystem und seine Prozesse fordert die Norm, dass das Qualitätsmanagementsystem die Wechselwirkung der Prozesse enthalten soll. In der Regel erfolgt die Darstellung mittels einer Prozesslandschaft bzw. -karte und die Prozesse werden dabei in 3 Prozessgruppen eingeteilt:
Doch warum werden die Prozesse eigentlich in diese drei verschiedenen Prozessarten eingeteilt? Ich möchte das jetzt damit nicht in Frage stellen, sondern ganz einfach nur verstehen. Und ich glaube, dass es dafür nur eine Erklärung gibt – es hat sich über Jahre so entwickelt und so ganz sinnbefreit ist das ja auch nicht.
Doch ich habe es auch immer wieder erlebt, dass es Diskussionen gab, in welche Kategorie jetzt bestimmte Prozesse einzuordnen sind. Und ich gebe ganz offen zu, dass das auch nicht immer eindeutig ist und das es da einen Graubereich gibt. Um es mal mit einem Beispiel zu machen – während eines externen Audits hatte ich mal einen Auditor, der von mir gefordert hat, dass es im Unternehmen eine Prozessbeschreibung gibt zum Thema „Kontinuierliche Verbesserung“. Abgesehen davon, dass ich kein Freund davon bin solch eine Prozessbeschreibung zu haben – er verlangte, dass diese dann bei den Managementprozessen angesiedelt sein muss. Ich selber muss zugeben, dass ich die eher bei den Unterstützungsprozessen gesehen hätte, denn ich konnte seiner Argumentation auch diesbezüglich nicht folgen. Seiner Meinung nach liegt die Verantwortung dafür bei der obersten Leitung und daher sei das ein Managementprozess. Meiner Meinung nach trägt zwar die oberste Leitung die Verantwortung dafür, dass sie im Unternehmen Verbesserungen fördert – allerdings wird sie nicht Prozesseigner oder -durchführer des KVP-Prozesses und daher sollte dieser dann auch eher zu den Unterstützungsprozessen.
Oder zu einem anderen Beispiel. Die von mir erstellen Prozesslandkarten sind in der Regel sehr knapp gehalten, da ich den Mehrwert gerade bei kleinen Unternehmen als relativ begrenzt ansehe. Neulich bat mich ein Auditorin doch alle Prozesse mit einem Strich bzw. Pfeil zu verbinden, die in einer Wechselwirkung zueinander stehen. Funktioniert bei einigen Prozessen (zum Beispiel der Prozesskette der Kernprozesse) auch sehr gut. Bei einigen anderen – gerade Unterstützungsprozessen – habe ich da schon einige Probleme, zum Beispiel „Internes Audit“, „Datenanalyse“ oder „Fehlerlenkung“. Meiner Meinung nach stehen diese und weitere Prozesse in Wechselwirkung zu allen und auch wirklich allen anderen Prozessen. Und wenn ich dann die Striche einzeichne, dann wird die Prozesslandkarte aber sehr schnell sehr unübersichtlich.
Und da viel mir wieder ein, was ich vorher schon einige Male gesehen habe – eine vierte Prozessart:
Mess-, Analyse- und Verbesserungsprozesse
In meiner früheren Tutorentätigkeit habe ich es zum ersten Mal gesehen und danach auch immer wieder bei wenigen einzelnen Unternehmen – in der Prozesslandschaft war neben den üblichen Management-, Unterstützungs- und Kernprozessen noch eine weitere Prozessart vertreten – die Mess-, Analyse- und Verbesserungsprozesse.
Die Unterteilung könnte dann ungefähr wie folgt aussehen:
Meiner Meinung nach hätte diese Darstellung zwei wirkliche Vorteile.
Bei vielen Prozessen mit Diskussionsbedarf wäre es eindeutig, dass diese in die vierte Prozessgruppe der Mess-, Analyse- und Verbesserungsprozesse gehören. Auch wenn Diskussionen in der Regel bereichernd sind, weil man sich mit den Ansichten seines Gegenübers auseinandersetzt – in diesem Fall sind diese nicht mehr nötig. Und falls Sie sich wegen dieser Grafik wundern, die Qualitätsmanagementbewertung lasse ich mit Absicht bei den Führungsprozessen stehen, denn diese soll ja laut Norm wirklich von der obersten Leitung durchgeführt werden.
Der zweite Vorteil dabei ist, dass ich ganz pauschal sagen kann, dass alle Mess-, Analyse- und Verbesserungsprozesse in Wechselwirkung mit jedem anderen Prozess des Unternehmens stehen. Da muss dann auch kein Strich mehr zu jedem anderen Prozess gezogen werden. Das steigert dann vielleicht die Übersichtlichkeit der anderen Wechselwirkungen.
Fazit
Ich möchte Sie jetzt mit diesem Blogbeitrag nicht unbedingt animieren, in Ihren Prozesslandschaften nun unbedingt eine 4. Prozessart einzufügen. Aber ich möchte mit diesem Blogbeitrag mal wieder einen Gedankenanstoß geben, denn so verkehrt finde ich den Gedanken nicht. ;-)
Über Ihre Meinung und Erfahrung als Kommentar zu diesem Artikel freue ich mich!
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