Blog der Lösungsfabrik

Qualitätsmanagement und ISO 9001

In welcher Form sollte ein QM-System geführt werden? Software, Wiki, Office-Dokumente…

Mit vielen meinen ehemaligen Schülern stehe ich auch nach deren Teilnahme am Unterricht in Kontakt. Und für alle die es nicht wissen, sei es nochmal kurz erklärt – ich bin auch Dozent bei einem Bildungsträger für den Fachbereich Qualitätsmanagement. Und neulich habe ich dort eine Frage, bzw. mehrere Fragen bekommen von denen ich glaube, dass die Veröffentlichung mit meiner dementsprechenden Antwort auch für die Leser hier interessant sein könnte. Folgende Nachricht habe ich erhalten:

„Hallo Herr Thode,

auch wenn ich die QM-Kurse beim IBB bislang nicht fortsetzen konnte, darf die praktische QM-Arbeit natürlich nicht liegen bleiben. In diesem Zusammenhang ergibt sich eine praktische Frage, mit der Sie mir vielleicht weiterhelfen können?

Haben Sie Erfahrungen – gute wie schlechte – mit elektronischen Systemen, die speziell für die nachvollziehbare Dokumentation von QM-Systemen gedacht sind?

Unser (altes, seit Jahren nicht mehr gelebtes, geschweige denn zertifiziertes) QM-System wurde über ein Netzlaufwerk dokumentiert, in dem haufenweise schreibgeschützte Word-Dateien lagen, die mit Kurzbezeichnungen versehen waren, mit denen außer dem QMB niemand was anfangen konnte. Da wir alle an Bildschirmarbeitsplätzen arbeiten, halte ich die elektronische Dokumentation grundsätzlich für sinnvoll und einfacher zugänglich für die Mitarbeiter, allerdings nicht in dieser Form. Ein einfacher zugängliches System, was auch eine Verlinkung zwischen den einzelnen Dokumenten unterstützt und durch strukturierte Darstellung leichter zu überblicken ist, wäre hier sicher besser geeignet.

Insbesondere finde ich den Ansatz spannend, das QM-System über ein Wiki (z. B. DokuWiki) zu realisieren. Mit entsprechenden Vorkehrungen lassen sich die Schreib- und Freigaberechte genau an den QM-Bedarf anpassen und es ist sichergestellt, dass jede Änderung nachvollzogen werden kann. Allerdings findet man in diversen QM-Foren auch die Meinung, dass die Zertifizierer damit Probleme hätten, wenn der „Lieferant“ der Software selbst nicht zertifiziert ist – wie auch, bei einem Open Source Projekt wie DokuWiki.

Wie sind da Ihre Erfahrungen? Und wie ist Ihre Meinung? Was würden Sie Ihren Kunden empfehlen, die eine elektronische Dokumentation des QMS einführen wollen?

Ich bin übrigens seit unserem QFK-Kurs ein treuer Leser des Lösungsfabrik-Blogs und habe dort schon viele wertvolle Informationen gefunden.

Viele Grüße

xxx“

 

Meine Antwort darauf war folgende:

„Hallo Herr xxx,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Auch ich halte grundsätzlich ein elektronisch geführtes QM-System für praktisch, wenn alle Mitarbeiter über einen Zugang zu diesem verfügen, was ja in Ihrem Fall so ist.

Sie haben einen ganz wichtigen Punkt angesprochen, die Benennung der Dateien. Diese sollten so gewählt sein, dass dies für alle Mitarbeiter nachvollziehbar und sinnvoll ist. Natürlich spricht nichts dagegen (Zwecks der Sortierung) auch Kurzbezeichnungen zu verwenden, aber ein Mix – zum Beispiel PB-001-Prozessbeschreibung Lenkung von Dokumenten – ist doch ein super Kompromiss.

So etwas lässt sich wunderbar mit Worddokumenten regeln. Schreibrechte dementsprechend vergeben und nicht jeder kann in den Dokumenten verändern, was er möchte. Außerdem alle alten Dokumente als PDF in einen separaten Ordner legen und so kann man auch später noch Veränderungen nachvollziehen. So tue ich es bei den meisten meiner Kunden.

Wiki finde ich auch eine spannende Lösung. Ich habe mich auch mal näher mit dem Thema beschäftigt und dies bei einem Kunden realisiert. Das ist ein junges, flexibles Unternehmen und so ist es durch das Wiki auch das QM-System. Dort wird dieses QM-System übrigens bis heute aktiv weitergeführt und gelebt.

Das Auditoren damit unter Umständen Probleme haben, kann ich mir zwar gut vorstellen, aber nicht wirklich nachvollziehen. Es gibt meiner Meinung nach keinen Grund, warum ein Wiki das nicht leisten sollte. Einzig vielleicht mangelndes technisches Verständnis und / oder das Alter des Auditoren könnten ein Grund sein. Ich selber kenne einige Auditoren, die würden vor Freude im Dreieck springen, wenn ein Qualitätsmanagementsystem so unternehmensnah und flexibel umgesetzt wird. Denen wäre solch eine Lösung deutlich lieber, als einen dicken Aktenordner, auf dem sich einfach nur Staub ansetzt, weil ihn keiner benutzt. Völliger Quatsch ist, dass der Hersteller der Software nach ISO 9001 o.ä. zertifiziert sein muss. Da muss ich gleich mal nachschauen, ob Microsoft nach ISO 9001 zertifiziert ist. Wenn nicht, dann kann ich die auf ihr Versäumnis ansprechen und mich gleich als Berater anbieten. :D Da Sie ja noch nicht zertifiziert sind, wäre es ja eine Möglichkeit, dass Sie das QM-System als Wiki führen und bei der Wahl der Zert-Gesellschaft und des Auditors das im Vorwege abklären. Ansonsten kann ich Ihnen anbieten, dass ich Ihnen den Kontakt zu einer akkreditierten Zertifizierungsgesellschaft herstelle, die damit ganz sicherlich keine Probleme haben wird.

Professionellen Softwarelösungen stehe ich sehr skeptisch gegenüber. Ich möchte hier nichts schlecht machen, aber es gibt da meiner Meinung nach zwei Probleme. Erstens entstammen viele dieser Lösungen aus dem produzierenden Bereich. Sie sind sehr prüflastig und zum Beispiel auf die Lenkung von Überwachungs- und Messmittel ausgelegt. Wenn Sie diese in einem anderen Bereich, zum Beispiel Dienstleistungen, einsetzen möchten, dann ist das nicht immer so praktisch. Außerdem finde ich diese Systeme teilweise zu kompliziert und zu unflexibel. Sie sind nicht in einem Musterunternehmen tätig, sondern in einem ganz individuellen Betrieb, der ganz eigene Anforderungen hat. Und wenn die Software dann diese Anforderungen nicht erfüllt, dann ist das ein Nachteil für das QM-System und auch fürs Unternehmen, wenn das QM-System seine volle Wirkung nicht zum Nutzen des Unternehmens entfalten kann. Sollten Sie eine professionelle Softwarelösung finden, die sehr gut passt, dann ist da nichts gegen einzuwenden. Seien Sie aber bitte sehr sorgfältig bei der Auswahl.

Ich hoffe Ihnen hiermit geholfen zu haben.

Sollten noch weitere Fragen sein, so können Sie sich gerne jederzeit an mich wenden.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende

Michael Thode“

 

Und schon nach kurzer Zeit erhielt auch ich wieder eine Antwort auf meine Nachricht:

„Hallo Herr Thode,

vielen Dank für die ausführliche Antwort!

Insbesondere die klare Meinung zu kommerziellen Softwarelösungen hilft mir sehr weiter. Den gleichen Eindruck hatte ich bislang auch, vermutete aber den Fehler bei mir und nicht bei den Softwareentwicklern. Ich will vor allem nicht riskieren, mich auf eine Lösung festzulegen, um nach einiger Zeit festzustellen, dass irgendeine notwendige Änderung nicht oder z. B. nur gegen Aufpreis integriert werden kann.

Wir sind zwar kein ganz junges Unternehmen mehr, wollen aber in den nächsten Jahren wieder so dynamisch wie eins werden, was sich natürlich auch im QMS widerspiegeln muss. Insofern fühle ich mich in meinem Interesse für ein Wiki-System bestätigt.

Ich sehe einige Vorteile gegenüber Word:
– keine „Versionitis“, sondern alle alten Fassungen im aktuellen Dokument ansehbar
– Einfaches Navigieren durch das ganze QMH dank Links
– Änderungen und Freigabe mit Nutzername & Passwort, dadurch automatisch nachvollziehbar und Workflow nur im Dokument selbst
– Keine Abhängigkeit vom Softwarehersteller (im konkreten Beispiel DokuWiki, wo die Inhalte als einfache Textdateien gespeichert werden)
– Einbinden von nicht zweidimensionalen Medien möglich (z. B. Arbeitsablauf am Videobeispiel erklärt, Warntöne der Maschine als Audiobeispiel)

Ich denke deshalb, insbesondere auch Dank Ihrer Antwort, wir werden diesen Weg gehen.

Vielen Dank nochmal für die Antwort! Gerne stelle ich die Frage für den Blog zur Verfügung.

Viele Grüße von der Ostsee

xxx“

 

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3 thoughts on “In welcher Form sollte ein QM-System geführt werden? Software, Wiki, Office-Dokumente…
  • Jan Wokittel sagt:

    Hallo Herr Thode,

    danke für den interessanten Beitrag. Da dieses Thema auch in unserer Unternehmung aktuell ist, hier ein paar hilfreiche Anmerkungen zu unseren Erfahrungen dazu:

    Sobald die Entscheidung gefallen ist, ein interaktives und elektronisches QM-Wiki zu realisieren, kommt man ziemlich schnell zu der Frage der Umsetzung. Dazu gibt es verschiedene Lösungsmöglichkeiten.
    Am Bekanntesten dürfte wohl Media Wiki sein, da auf diesem CMS das bekannte Wikipedia basiert. Installation geht recht schnell aber ich fand die spätere Individualisierung extrem unhandlich und auch die Administration unnötig kompliziert. Kompletten Neulingen kann ich auch nicht empfehlen die Installation und Einrichtung eines Wikis selbst zu übernehmen – Grundkenntnisse in PHP und MySQL müssen vorhanden sein. Eine bessere Lösung haben wir dann schliesslich mit DokuWiki gefunden. Auch dieses System ist OpenSource und war sehr schnell und unkompliziert eingerichtet. Systeme wie MoinMoinWiki oder OntoWiki haben uns in Verwaltung und Optik nicht überzeugen können.
    Unsere Empfehlung ist daher DokuWiki, dass sehr schlank aber effektiv und auch schon in den Grundeinstellungen optisch sehr ansprechend ist. Ein hilfreicher Link, um sich einen Überblick zu verschaffen ist dieser: http://t3n.de/news/15-kostenlose-open-source-wikis-uberblick-236844/

    Beste Grüsse

  • Herr xxx von der Ostsee sagt:

    Hallo Herr Thode,

    ich bin jetzt mit ein paar Jahren Abstand wieder einmal über diese damals von mir gestellte Frage gestolpert und kann berichten, dass ich auf der Basis von DokuWiki bei einem Kunden ein sehr gut funktionierendes QMS umgesetzt habe. Aus meiner Sicht eine der drei besten Lösungen, die ich in meiner Beraterzeit umsetzen konnte.

    Alles, was nicht mit Bordmitteln des Wikis darstellbar war (z. B. Flowcharts), wurde als Anhang-Datei eingebunden, die entsprechend mit versioniert wird. Es lässt sich ein Zugriff für den Auditor einrichten, der sich dann vor dem Audit schon mal die letzten Änderungen angucken kann.

    Das ganze Wiki ist so einfach zu verstehen, dass auch die nicht computeraffinen Mitarbeiter damit schnell klarkommen.

    Die zwei noch besseren Lösungen waren im übrigen:

    – Umsetzung des kompletten QMS innerhalb des ERP-Systems (Übergreifende dok. Info. in zugehöriges Dokumentenmanagementsystem, alle Prozessinformationen genau dort, wo der Prozess im ERP umgesetzt wird, Formblätter gibt es fast nur als ERP-Masken), so kommt man gar nicht umhin, jeden Tag ein paar Blicke drauf zu werfen

    – Umsetzung in einem Software-Repository mit Versionsverwaltung und Bugtracking (klappt natürlich nur bei Softwareentwicklern), so wird die Arbeit am QMS mit exakt den gleichen Werkzeugen und Methoden erledigt, wie die Arbeit für die Kunden und geht entsprechend leicht von der Hand.

    In allen drei Fällen waren übrigens deutlich mehr Mitarbeiter in die Erarbeitung und Pflege des QMS eingebunden als GF und „QMB“,

    Leider führte bei meinem Arbeitgeber kein Weg da rein, mit ein Grund weshalb ich dort auch nicht mehr tätig bin.

    Viele Grüße von der Ostsee

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