Wie neue Technologien den Standort Deutschland zukunftsfähig machen
Wie heute Vormittag schon angekündigt, wird es in Zukunft auf dem Blog der Lösungsfabrik auch Inhalte aus der Zeitschrift „QZ Qualität und Zuverlässigkeit“. Eigentlich wollte ich damit erst zur Novemberausgabe anfangen, aber da ich ein kleines Zeitfenster hatte, hier schon mal der erste Beitrag aus der Ausgabe Oktober 2014 zum Thema „Wie neue Technologien den Standort Deutschland zukunftsfähig machen“.
„Vor rund 20 Jahren wäre das, was die Industrie 4.0 ausmacht, ganz klar als Science-Fiction klassifiziert worden: Materialien, die wissen, was einmal aus ihnen wird, und die über das Internet mit Maschinen kommunizieren, um sich Bearbeitungszeit zu reservieren. Fabriken, die Varianten eines Massenprodukts in Losgröße eins produzieren können, die sich ohne Arbeitsvorbereitung und detaillierte Planung des Menschen selbst organisieren. Wartungseingriffe, die über Tausende von Kilometern über das Internet erfolgen. Global vernetzte Entwicklungs- und Fertigungsverbünde, die nur Datensätze teilen und versenden müssen, damit irgendwo auf der Welt ein Bauteil „just in time“ produziert wird. Bauteile, die während des Gebrauchs Daten an die Entwickler liefern, mit deren hülfe diese die Einsatzbedingungen verstehen und ihre Designs verbessern können. Industrie 4.0 ist die Zukunft der Produktion.
Entwicklungsdruck hin zur Industrie 4.0
Grundlage für diese von Wissenschaft und Bundesregierung „Industrie 4.0“ genannte Entwicklung sind cyber-physische Systeme – das Internet der Daten und Dinge. Hier gibt es in Deutschland Handlungsbedarf: Denn als bedeutender Produktionsstandort mit hohem Lohnniveau und wenig Rohstoffressourcen steht gerade Deutschland unter dem Druck, sich hin zur Industrie 4.0 zu entwickeln, um die eigene Premiumposition zu halten. Der Handlungsbedarf ist in erster Linie marktgetrieben. Kostendruck einerseits und die Notwendigkeit, kundenindividueller zu fertigen und schneller marktreif zu sein, andererseits erfordern maximal flexible und optimal kosteneffiziente Fabriken und Entwicklungsprozesse.
Die menschenleere Produktion ist nicht zu befürchten. Allerdings verändern sich und steigen die Anforderungen an Produktionsmitarbeiter erheblich. Anteilig werden mehr Ingenieure benötigt. Facharbeiter müssen IT- und systemtechnische Kompetenzen aufweisen. Professor Dr. Ralph Stengler, Präsident der Hochschule Darmstadt, kennt die künftigen Qualifizierungsanforderungen. „Noch nie ist das Fachwissen unserer Ingenieure so schnell veraltet wie heute“, stellt er fest. Gerade Fachhochschulen wie die in Darmstadt müssten den Studenten vermitteln, wie sie sich schnell das aktuelle praxisrelevante Wissen aneignen. „Wir werden sie darauf vorbereiten, in einer sich technisch rasant verändernden Welt nicht nur zu bestehen, sondern diese aktiv zu gestalten. Unser Ziel ist es, dass die Absolventen die Industrie 4.0 kreieren.“
Fehler bereits vor ihrer Entstehung identifizieren
Felix Artischewski ist Absolvent der Hochschule Darmstadt. Er schreibt aktuell, von Professor Stengler betreut, seine Masterarbeit. Das Thema: Qualitätssicherung 4.0. Artischewski untersucht, welche neuen Anforderungen die veränderten Entwicklungs- und Produktionsprozesse der Industrie 4.0 an die Qualitätssicherung stellen. Klassische Ansätze der Qualitätssicherung greifen künftig nicht mehr. Die gesamte Qualitätssicherung muss digital und vor allem medienbruchfrei erfolgen, um eine ausreichend schnelle und umfassende Datenerfassung zu ermöglichen und den Engpassfaktor Mensch bei der Datenübertragung auszuschließen. In der Folge werden Instandhaltung und Qualitätssicherung effizienter sowie vorausschauender. Dies geschieht auf Basis virtueller Modelle und
Expertensysteme, die alles überwachen und bereits vor der Umsetzung genauestens berechnen, um Ausschluss und Kosten durch „trial and error“ zu vermeiden. Die Industrie 4.0 muss sich zusätzlich gegen ungewollte Eingriffe wie Hacker-Angriffe schützen – ob diese nun irrtümlich oder aufgrund gezielter Sabotage erfolgen. Dafür sind erhebliche technische und organisatorische Entwicklungen erforderlich: Datenformate und Schnittstellen müssen standardisiert werden, und der unbefugten Nutzung von Produkt- und Fertigungsdaten gilt es vorzubeugen.
Die neue Technik macht die Qualitätssicherung aber auch einfacher. So stehen viele neue, kleinere und damit besser in die Maschinen integrierbare Sensoren und Messvorrichtungen zur Verfügung. Wo früher aus ökonomischen Gründen nur punktuell Stichprobenprüfungen und statistische Verfahren durchgeführt wurden, ist heute eine 100%-Prüfung wieder wirtschaftlich. Die IT-Systeme können riesige Mengen von Mess- und Qualitätsdaten verarbeiten. So werden etwa durch Losgröße eins auch die Steuerungsparameter qualitätsrelevant, da sie nicht mehr im Voraus geplant, sondern mit jedem Produkt geändert werden. Moderne Systeme erkennen Auffälligkeiten und helfen dabei, Ursachen sowie Quellen von Fehlern zu identifizieren – im Idealfall sogar vor der Fehlerentstehung.
Grundsteine für Industrie 4.0 sind gelegt
In Kooperation mit der DGQ setzt Artischewski seine Masterarbeit zur Qualitätssicherung 4.0 um. Die DGQ hat ein besonderes Interesse an diesem Thema: „Wir leisten durch unsere Arbeit rund um Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung einen Beitrag zur Standort-
Sicherung Deutschlands“, sag: DGQ-Abteilungsleiter Dr. Benedikt Sommerhoff. Gemeinsam mit Stengler betreut er die Masterarbeit des angehenden Wirtschaftsingenieurs. „Die frühe Auseinandersetzung mi: dem Thema sehen wir als Chance, die notwendigen Entwicklungen voranzutreiben. So können wir die heutige Stärke deutscher Unternehmen wahren und die weltweit nachgefragte Qua:- tät deutscher Entwicklungen und Produkte nachhaltig gewährleisten.“
Die Technik, die der Industrie 4.0 zugrunde liegt, ist bereits verfügbar. Einzelne Bausteine begegnen uns bereits in modernen deutschen Fabriken. Alle Register hat allerdings noch niemand gezogen. Doch mit jeder Fabrikmodernisierung breitet sich die Industrie 4.0 weiter aus. Sie wird die Welt der produzierenden Unternehmen nachhaltig verändern.“
Dies ist ein Artikel aus der „QZ Qualität und Zuverlässigkeit“ von der DGQ. Vielen Dank für die freundliche Erlaubnis, diesen Artikel auf dem Blog der Lösungsfabrik veröffentlichen zu dürfen.
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